"Tod für Olympia - Der Fall Birgit Dressel"

Birgit Dressel © Imago
Birgit Dressel © Imago

Doku-Serie von Yannick Lowin und Nils Loof

Mediathek: Online verfügbar bis 06.06.2026, 05.30 Uhr, ARD Mediathek; Sendetermine: Fr, 07.06.2024, von 23.00 Uhr bis 01.00 Uhr, ARD (Erstaustrahlungen aller drei Folgen)

April 1987: Eine 26-jährige Weltklasse-Sportlerin stirbt im Mainzer Uniklinikum an einem Multi-Organversagen. Die Tote ist Birgit Dressel, damals die Hoffnung der bundesdeutschen Leichtathletik im Siebenkampf. Wenige Monate später stellt sich heraus, dass Dressel über Jahre dutzende Medikamente, darunter auch Dopingpräparate, geschluckt hat. Sie gilt als erste Dopingtote der Bundesrepublik Deutschland. Doch so einfach ist es nicht. Unzählige Indizien zeigen, wer in den Fall verwickelt ist. Ein großes Medienecho rüttelt die Gesellschaft auf. Für ihren Tod im April 1987 muss sich bis heute niemand verantworten.

In der dreiteiligen Doku-Serie TOD FÜR OLYMPIA - DER FALL BIRGIT DRESSEL spricht Autor Yannick Lowin mit Dressels engstem Umfeld, rollt mit Experten den Fall neu auf und skizziert das Bild eines gnadenlosen Sportsystems, in dem der Tod einer jungen Frau folgenlos verhallt. In fiktionalen Szenen spielt Luise Großmann die Athletin (Buch und Regie Nils Loof).

Teil 1: Die Athletin und der Wunderarzt

Birgit Dressel © Imago
Birgit Dressel © Imago

Birgit Dressel wächst in einer sportlichen Familie der Bremer Mittelschicht auf. Schon früh zeigt sich ihr sportliches Talent. Mit ihren Erfolgen in der Leichtathletik wird sie schnell zur Besten in ganz Bremen. Nach dem Abitur wechselt sie in die Leichtathletik-Hochburg nach Mainz und von ihrer Spezialdisziplin, dem Hochsprung, zum Siebenkampf. Das alles passiert vor dem Hintergrund der damaligen Leichtathletikwelt im geteilten Deutschland, die geprägt ist vom System-Wettbewerb Ost gegen West. Die Erfolge der DDR-Leichtathleten geben den westdeutschen Athleten immer wieder Ansporn, besser zu werden. Der sportliche Wettstreit zwischen der DDR und der BRD ist zum Kampf der Systeme geworden und hat längst die Politik erreicht. Sportlicher Erfolg ist wichtig für das internationale Ansehen. Das gilt für die DDR genauso wie für die BRD.

Ex-Mehrkämpferin Birgit Clarius © Radio Bremen / Christoph Oldach
Ex-Mehrkämpferin Birgit Clarius © Radio Bremen / Christoph Oldach

Es kommt auch im Leistungssport zum Wettrüsten. Im Mittelpunkt: die Sportmedizin und Dopingmittel. In der BRD ist das Ganze allerdings nicht staatlich orchestriert, sondern die Sportler organisieren es selbst, angeleitet von Trainern und Sportmedizinern. Allen voran: Dr. Armin Klümper aus Freiburg. Der ist hoch angesehen. Die Fußball-Stars des FC Bayern zählen zu Klümpers Patienten. Uli Hoeneß oder Paul Breitner - Klümper kennt sie alle und zeigt sich gern mit der Prominenz aus Sport und Politik. Mehrere Ministerpräsidenten und sogar der Kanzler lassen sich mit Klümper ablichten. Auch die Stars der deutschen Leichtathletik gehören zu seinen Premium-Patienten: Über Jahre ist er als Chefmediziner des Deutschen Leichtathletikverbandes bei allen Wettkämpfen dabei und fördert mit der laut ihm „modernsten Therapie“ ihre Leistungsfähigkeit.

Birgit Dressel gehört bereits seit 1981 zum illustren Patientenkreis. Innerhalb weniger Jahre schafft sie es von der deutschen in die internationale Spitze, verpasst bei der Leichtathletik EM 1986 im eigenen Land noch knapp die Medaille. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul soll das anders werden. Mit allen Mitteln.

Teil 2: Der Kampf ums Überleben

Luise Großmann als Birgit Dressel © Radio Bremen / Paul Hartjens
Luise Großmann als Birgit Dressel © Radio Bremen / Paul Hartjens

Birgit Dressel bereitet sich in einem Trainingslager in Portugal auf die WM 1987 in Rom vor. Sie experimentiert dort mit einem neuen Anabolika-Medikament. Das Hantieren mit leistungsfördernden Mitteln ist nichts Ungewöhnliches. Für Birgit Dressel wird es immer mehr zum Erfolgsfaktor. An ihrer Seite beim Angriff auf die Weltspitze: ihr Trainer und Verlobter Thomas Kohlbacher und ihr Arzt Dr. Armin Klümper.

Die Praxis des Sportmediziners in Freiburg beschäftigt fünf Ärzte. Sie alle sind eingeschworen auf die mitunter halbseiden anmutenden Behandlungsmethoden Klümpers. Sie stellen Blankorezepte aus, verabreichen Medikamente und Substanzen, deren Herkunft der "Wunderarzt" nicht offenlegt. Klümper wird dadurch reich und berühmt.

Der Bruder Volker Dressel  © Radio Bremen / Christoph Oldach
Der Bruder Volker Dressel © Radio Bremen / Christoph Oldach

Von Januar 1986 bis April 1987 setzt Klümper mehr als 400 Spritzen bei Birgit Dressel. Nach Aussagen ihres Trainers und Lebensgefährten Thomas Kohlbacher nimmt sie außerdem Anabolika. Schon damals gelten die Präparate als Dopingmittel und sind eigentlich verboten. Allerdings gibt es kein Interesse daran, das Verbot ernsthaft durchzusetzen.

Zwei Tage im April 1987 sollen alles ändern. Beim Training bekommt Birgit nie gekannte Schmerzen an der Lendenwirbelsäule. Die Schmerzen werden trotz ärztlicher Behandlung unaushaltbar. Sie wird ins Uniklinikum Mainz eingeliefert und auf die Intensivstation verlegt. Ihre Werte verschlechtern sich immer mehr. Und niemand kann sagen, warum. Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen kämpfen um ihr Überleben.

Teil 3: Das Dopingopfer?

Pharmakologen Fritz Sörgel © Radio Bremen / Christoph Oldach
Pharmakologen Fritz Sörgel © Radio Bremen / Christoph Oldach

Birgit Dressel nimmt ihre letzten Atemzüge und verstirbt an Multi-Organversagen. Eine 26-jährige Spitzensportlerin kann von einem ganzen Ärzte-Team nicht gerettet werden. Die Leichtathletik-Szene in Westdeutschland steht unter Schock. Was mit einem Verdacht auf Hexenschuss begonnen hat, endet für Birgit Dressel zwei Tage später tödlich.

Der Tragödie folgt ein großes Medienecho. Die ersten Ermittlungen der Mainzer Staatsanwaltschaft bringen keine Ergebnisse. Birgit Dressel stirbt vollgepumpt mit unzähligen Schmerz- und Dopingmitteln und niemand ist schuld.

Zur Leichtathletik WM 1987 in Rom reisen die deutschen Leichtathletinnen und -athleten ohne ihre charismatische Wortführerin. Die WM im Sommer lässt die Erinnerung an Birgit Dressels Tod verblassen, doch als der westdeutsche Kader zurückreist, enthüllt der "Spiegel" die Recherchen zu Dressels Tod. Der Artikel lenkt den Verdacht auf Dr. Armin Klümper. Doch auch weitere Untersuchungen führen nicht zu einem Prozess.

ARD-Leichtathletikexperte und Ex-Zehnkämpfer Frank Busemann © Radio Bremen / Christoph Oldach
ARD-Leichtathletikexperte und Ex-Zehnkämpfer Frank Busemann © Radio Bremen / Christoph Oldach

Nun diskutiert die deutsche Gesellschaft über Ethik im Leistungssport. Was sind die Folgen von "höher, schneller, weiter"? Wo wird mit verbotenen Substanzen nachgeholfen? Aber erst die Olympischen Spiele 1988 verändern den Diskurs rund um Doping grundlegend, als der Kanadier Ben Johnson erst in Weltrekord-Zeit zum Olympia-Sieg sprintet und dann positiv auf Steroide getestet wird.

Und der Tod von Birgit Dressel? Für die einen ist sie die „Doping-Tote“, für die anderen ein tragischer Unglücksfall. Das System Leistungssport jedenfalls trauert nicht lange um die Verstorbene und hat kein Interesse daran, die Umstände ihres Todes wirklich aufzuarbeiten. Die Doku-Serie TOD FÜR OLYMPIA - DER FALL BIRGIT DRESSEL versucht das zu ändern.

Sportmediziner Wilhelm Bloch © Radio Bremen / Christoph Oldach
Sportmediziner Wilhelm Bloch © Radio Bremen / Christoph Oldach


Text: ARD

Fotos: © Imago + © Radio Bremen / Christoph Oldach / Paul Hartjens

Produktion: Dokness by Bremedia Produktion GmbH

Gefördert mit Mitteln der nordmedia - Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH.


Siehe auch: TOD FÜR OLYMPIA - DER FALL BIRGIT DRESSEL