Unterhaltsamer Abend über aktuelle Erzählformen

"Drehbuch reloaded" beim nordmedia-Talk Hannover

Dr. Katharina Bildhauer, Jochen Coldewey, Dennis Gansel, Georg Heinzen, Dr. Michael Bhatty
Dr. Katharina Bildhauer, Jochen Coldewey, Dennis Gansel, Georg Heinzen, Dr. Michael Bhatty

Aktuelle Erzählformen für Film, Fernsehen und Games waren Thema eines gleichermaßen unterhaltsamen wie informativen nordmedia-Talks Anfang Juli im Kino im Künstlerhaus. Dr. Katharina Bildhauer, die ihre Dissertation zum Thema "Drehbuch reloaded" publiziert hat, erläuterte in ihrer Keynote am Beispiel der Filme MEMENTO (Regie: Christopher Nolan) und FIGHT CLUB (Regie: David Fincher) wie eine ungewöhnliche nonlineare Erzählweise die Zuschauer zu einem völlig neuen Rezeptionserlebnis herausfordern kann.

Dr. Katharina Bildhauer, Jochen Coldewey
Dr. Katharina Bildhauer, Jochen Coldewey

In den meisten Drehbuch-Ratgebern würde nach wie vor die konventionelle Dreiaktstruktur als einzig "richtige" Erzählweise propagiert, so Bildhauer, obwohl mittlerweile viele Beispiele zeigen, dass auch anders erzählt werden könne. Dabei käme es aber immer auf die jeweilige Geschichte an. Eine unkonventionelle Struktur allein mache noch kein interessantes Drehbuch aus. Manche Story müsse einfach "klassisch" erzählt werden.

Dennis Gansel
Dennis Gansel

Dies bestätigte auch Regisseur und Autor Dennis Gansel, der zunächst nach alternativen Strukturen suchte, um das Drehbuch für seinen Film DIE WELLE zu realisieren. Doch im Verlauf der Drehbucharbeit entschieden sich Gansel und sein Co-Autor Peter Thorwarth für die klassische lineare Erzählweise. Ein Rezept, das sich bei diesem Film des gebürtigen Hannoveraners bewährte: Seit März läuft DIE WELLE mit rund 2,5 Millionen Zuschauern erfolgreich in den Kinos und wurde u.a. mit dem Deutschen Filmpreis in Bronze ausgezeichnet.

Georg Heinzen
Georg Heinzen

Georg Heinzen, der als freier Autor und Dozent an der Internationalen Filmschule Köln tätig ist, betonte, dass es gerade für Drehbuch-Studenten wichtig sei, ihr Handwerkszeug und die konventionellen Erzählmuster kennen zu lernen. Nur dann könnten sie diese Regeln auch gekonnt brechen. Seiner Erfahrung nach würden die meisten TV-Redaktionen nach wie vor streng darauf achten, dass die traditionelle Drei-Akt-Erzählweise eingehalten werde. Heinzen beobachtet beim Fernsehen eine diametrale Entwicklung. Auf der einen Seite seien von den Redaktionen zunehmend rückwärts gewendete Formate gefragt, die eine heile Welt in klassischer Weise präsentieren. Andererseits bevorzugen gerade jüngere Zielgruppen innovativere Erzählformen, was der Erfolg von Serien wie "24", DIE SIMPSONS oder STROMBERG bestätigen würde.

Dr. Michael Bhatty
Dr. Michael Bhatty

Games-Spezialist Dr. Michael Bhatty erläuterte, dass Computerspiele zwar aufgrund ihrer Interaktivität auf den ersten Blick nonlinear erzählt seien, in der Erlebniswelt des Gamers würde sich der Handlungsverlauf des Spiels jedoch immer linear darstellen. Der Games-Entwickler kreiere quasi "Spielplätze". Anhand von Verben werde vorab beschrieben, was das Spiel bieten soll: rennen, klettern, schießen, Rätsel und Aufgaben lösen. Um dieses Gerüst herum würde dann die eigentliche Geschichte und die darin enthaltenen Versionen, die Interaktivität ermöglichen, gebaut. Da die Entwicklung von Games zur Zeit noch kostspielig und stark von Marktanforderungen geprägt sei, würden meist Geschichten mit wenig Tiefe erzählt. Bhatty ist jedoch der Meinung, dass Computerspiele als neue Medientypen noch große, bisher nicht genutzte Potenziale bieten würden, mit denen man zukünftig auch komplexe Stories innovativ erzählen könne.

Beim anschließenden Get Together im Kinofoyer ergab sich wieder einmal die Gelegenheit, die Diskussion fortzusetzen und sich über aktuelle Projekte, Entwicklungen und Neuigkeiten auszutauschen.