PRIMETIME #04: „Filmwerbung & Filmvermarktung - Wie arbeitet ein Filmverleih?“
Wie werden Kurzfilme und andere Kinoproduktionen öffentlich und wie schafft man es im digitalen Zeitalter, auf Festivals weltweit vertreten zu sein und für ein großes Publikum sichtbar zu werden? Diesen und anderen Fragen widmete sich die vierte PRIMETIME talk & night am 24. Mai 2018 in der Cumberlandschen Galerie in Hannover.
Pünktlich zur Hauptsendezeit um 20.15 Uhr begrüßte Thomas Schäffer, Geschäftsführer der nordmedia, die Gäste. Über 80 VertreterInnen aus der Branche hatten sich im Treppenhaus und im Barbereich des denkmalgeschützten Gebäudes versammelt. Moderator des Abends war nordmedia-Förderreferent Henning Kunze, welcher mit den Berliner Referenten Alexandre Dupont-Geisselmann (farbfilm verleih GmbH) und Markus Kaatsch (aug&ohr medien - Film Festival Agency) über den Vertrieb, die Vermarktung und Platzierung von Filmen sprach.
Der Verleiher - das „unbekannte Wesen“ in der Filmbranche
Alexandre Dupont-Geisselmann berichtete als Geschäftsführer vom farbfilm verleih von seinen Erfahrungen als Verleihchef. Der Independent-Filmverleih wurde 2005 in Berlin gegründet und arbeitete anfänglich mit deutschen Kinderfilmen. Inzwischen hat sich das Repertoire auf ein erwachseneres und internationales Publikum, sowie den dokumentarischen Bereich ausgeweitet. Dupont-Geisselmann freute sich über die Möglichkeit, über seine Tätigkeit zu sprechen: „Veranstaltungen wie diese sind ideal, um zu zeigen, was für eine Arbeit auf uns Verleiher zukommt.“.
Als Gründer von aug&ohr medien informierte Markus Kaatsch über die Arbeitsprozesse in einer Festivalagentur. Kaatsch und sein Team vertreten international Kurz- und Spielfilme und unterstützen zahlreiche NachwuchsregisseurInnen und Studierende bei Festivaleinreichungen. Neben der Einreichung und Lieferung gehört auch die Arbeit von Film Scouts zum Serviceangebot. aug&ohr medien ist seit über zehn Jahren zusammen mit dem Bedarf an der Dienstleistung gewachsen.
Überangebot an Qualität - positiv oder problematisch?
Nach Dupont-Geisselmanns Beobachtung komme es in der deutschen Kinolandschaft zu einer Überproduktion und einer Kurzlebigkeit qualitativ hochwertiger Filme. Die Vorbereitung einer Platzierung und eines erfolgreichen Filmstarts würden dabei mittlerweile einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten umfassen, während das Programm der Kinos - mit 14-16 neuen Filmen wöchentlich - stetig wachse. Es seien zu viele Produktionen auf dem Markt, was nicht nur zur Überforderung der Zuschauer führe. Auch die Presse und die Kinos müssten lernen, mit der Masse an Filmen umzugehen.
Deutschlands Kinolandschaft habe außerdem ein strukturelles Problem, bei welchem das Entweder-oder-Prinzip gelte: Multiplexkinos mit einem Programm für junge Menschen oder Arthousekinos, die eine ältere Besucherschaft ansprechen. Dazwischen gäbe es kaum Überschneidungen und Filme mit gemischten Orientierungen hätten kaum eine Chance, an das Publikum herangeführt zu werden.
Mit etwa 200 Projekten im Jahr habe der farbfilm verleih alle Hände voll zu tun, so Dupont-Geisselmann. Als besonders relevant gelten seiner Meinung nach der Austausch innerhalb der Branche, sowie eine grundsätzliche Offenheit den Projekten gegenüber. Eine ideale Situation für die Betreuung eines Filmes bedeute für ihn, von Anfang an dabei zu sein. Deshalb wähle der Verleih in den meisten Fällen auf der Basis des Treatments oder des Drehbuches aus. Außerdem müsse die Chemie stimmen: Passen Verleiher und Produzenten zusammen? Haben beide dieselbe Zielgruppe vor Augen?
Bei aug&ohr medien werden nach Kaatsch monatlich etwa 15.000 Einreichungen gezählt. Beim Auswahlverfahren gehe die Festivalagentur offen und flexibel vor - Erfahrung und Gefühl seien dabei entscheidend. Durch die internationale Ausrichtung haben Kaatsch, der sich als Filmfreund bezeichnet, und sein Team ein Gespür dafür entwickelt, in welchen Ländern bestimmte Stile und Themen gut ankommen: „Es kann auch schon mal Trash sein.“ Der enge und persönliche Kontakt zu den Festivals und Filmemachern, ein umfassendes Wissen über die Szene sowie Expertise aus dem Bereich der Produktion und eine gründliche Vorbereitung seien für eine erfolgreiche Vermarktung unerlässlich.
Nach einer lebhaften Diskussion und vielen Fragen aus dem Publikum ergänzte Thomas Schäffer zusammenfassend einige Gedanken zur Rolle der Filmförderung in diesem Rahmen. Was bedeuten die angesprochenen Konflikte für die Förderung? Sollte weniger gefördert werden? Das läge wohl in niemandes Interesse, da so die Vielfalt der Produktionen verhindert werden würde.
Insgesamt kann die Situation als ein aufgeladenes Spannungsfeld gesehen werden, auf welchem eine regelmäßige Kommunikation und eine Fokussierung stattfinden muss.
Die offenen Fragen und das Interesse aller Anwesenden zeigten, wie wichtig ein Austausch und ein Perspektivwechsel in diesem Bereich sind.
Abschließend wurde zu einem Get-together mit Buffett und Getränken übergeleitet, was zur Face-to-Face-Diskussion außerhalb des Live-Talks einlud. Die Gäste nutzten so die Möglichkeit, sich in entspannter Atmosphäre privat und beruflich auszutauschen.
Fotos: Timo Jaworr