Harmonien überwiegen - Komponieren für Film, TV & Games

- klangvolle Einblicke beim nordmedia-Talk Hannover

Helge Borgarts, Jochen Coldwey, Mike Beilfuß und George Kochbeck (v.l.)
Helge Borgarts, Jochen Coldwey, Mike Beilfuß und George Kochbeck (v.l.)

Musik stand im Mittelpunkt des nordmedia-Talks am 8.5.2012 im Kino im Künstlerhaus in Hannover. Als Gäste waren George Kochbeck, Mike Beilfuß und Helge Borgarts geladen, die anhand zahlreicher Beispiele zeigten,wie vielfältig das Thema ist.

George Kochbeck und Jochen Coldewey (v.l.)
George Kochbeck und Jochen Coldewey (v.l.)

Wie entstehen Kompositionen für Film und Fernsehen und wie wird man eigentlich Filmkomponist? Diese Fragen beantwortete George Kochbeck, Musiker, Komponist und Studiobetreiber der Monopalast Records, als erster Gesprächsgast von Moderator Jochen Coldewey. Kochbeck war in den 80er Jahren als Rockmusiker mit vielen deutschen Acts auf Tournee und arbeitete als Studiomusiker, bevor er Anfang der 90er Jahre durch einen Freund zur Filmmusik kam. Zunächst vertonte er Werbespots, die er gerne mit einem eigens komponierten Song unterlegte, wie er am Beispiel einer Citroën-Werbung mit Claudia Schiffer zeigte. Mittlerweile hat er die Musik für zahlreiche Spielfilme, Dokumentationen und Dokudramen arrangiert.

Bei Dokumentationen überlege er sich gemeinsam mit dem Regisseur und Redakteur, welchen Charakter die Musik haben soll. "Dann komponiere ich im Baukastensystem und lasse einzelne Stimmungen aufleben.", so Kochbeck. Der Cutter sucht sich dann die passenden Module heraus. Ganz anders sei die Vorgehensweise beim Spielfilm oder bei Dokudramen, bei denen weite Strecken wie ein Spielfilm inszeniert sind. Hier bekomme er meistens schon den Rohschnitt des Films und teile diesen zunächst in Spannungsbögen auf. Anschließend setze er die szenischen Stimmungen in seiner Musik um, so z.B. auch für das nordmedia-geförderte Dokudrama VOM TRAUM ZUM TERROR - MÜNCHEN 72 über den Terrorangriff bei den Olympischen Spielen. Wichtig war hier, so Kochbeck, das Zeitkolorit der 70er Jahre in der Musik wieder aufleben zu lassen. Leider, so Kochbeck, gäbe es häufig kein Budget für den Einsatz eines Orchesters. Trotz einer Vielzahl von technischen Möglichkeiten den Orchesterklang im Studio zu imitieren, sei hier nach wie vor ein großer Unterschied zu hören, was er beim nordmedia-Talk an zahlreichen Beispielen demonstrierte.

Mike Beilfuß
Mike Beilfuß

Mike Beilfuß, der zweite Gesprächspartner des Abends, arbeitet in Bremen als Music Supervisor und vertritt als Inhaber der Agentur Main Title Filmkomponisten. Beilfuß war vorher Herausgeber und Chefredakteur des Filmmusikmagazins Cinema Musica, der einzigen deutschsprachigen Fachzeitschrift für Filmmusikfans und Komponisten. Über die Zeitschrift lernte er viele Komponisten persönlich kennen. Einige von ihnen fragten Beilfuß, ob er sich nicht vorstellen könne, sie als Agent zu vertreten.

So kam es zur Gründung von Main Title. Als Filmmusikagent akquiriert Beilfuß nun Aufträge, kümmert sich um Termine und führt u.a. Gagenverhandlungen. Die Filmmusikbranche sei ein wachsender Bereich, der viele Komponisten und Musiker anziehe. Deshalb sei eine Agentur wie "Main Title" von zunehmender Bedeutung für die Vermittlung von Aufträgen. Allerdings gab Beilfuß zu bedenken, dass man als Filmkomponist klein anfange und dass es häufig bis zu zehn Jahre dauere bis man von seinen Einnahmen als Filmkomponist leben könne. Neben seiner Tätigkeit als Agent ist Beilfuß zudem als Music Supervisor tätig. Hier ist er für die Auswahl und Lizenzierung von Musik bei Filmproduktionen zuständig. Eines seiner aktuellen Projekte ist die nordmedia-geförderte Komödie POMMES ESSEN, die am 12. Juli 2012 bundesweiten Kinostart hat und von der er einige Ausschnitte zeigte.

Helge Borgarts
Helge Borgarts

Last but not least erläuterte Helge Borgarts, der als Komponist und Produzent von Computerspielen tätig ist, warum Musikkompositionen für Games eine ganz besondere Herausforderung sind. Da Computerspiele im Gegensatz zum Film nicht linear verlaufen, bedeute das für den Komponisten, dass er nicht wisse, an welcher Stelle sich der Spieler gerade befinde. "Hier muss ich als Komponist technische Details beachten und die Musik so anlegen, dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist", erklärte Borgarts. Zudem dauere ein Computerspiel ca. 40 Stunden. Um diese auch musikalisch unterhaltsam zu gestalten, würden je nach Stimmung des Spielers andere Musiken eingespielt.

Anhand zahlreicher Beispiele verdeutlichte Borgarts, dass gerade im Bereich Musik der Gamesmarkt zur Zeit einen großen Wandel erfährt. Im Vergleich zu den 80er Jahren spiele die Musik heute eine zentrale Rolle, denn die Kunden hätten mittlerweile eine hohe Erwartung an die Qualität der Gamesmusik. Der Trend ginge daher immer mehr zu sehr aufwändiger Musik, die häufiger auch von Orchestern eingespielt würde. Mittlerweile gäbe es sogar den ganz neuen Markt der Gamesmusik-Konzerte, die sich einer großen Fangemeinde erfreuten.

"Games und Filme werden sich immer weiter annähern, deshalb können und müssen wir Komponisten voneinander lernen", erklärte Borgarts in der gemeinsamen Abschlussrunde des Talks. Filmkomponisten könnten zwar Emotionen besser über ihre Musik ausdrücken, aber Gameskomponisten würden die Interaktionen und Verknüpfungen besser verstehen. Sogar Hollywood-Komponisten würden zunehmend in den wachsenden Games-Musikmarkt drängen. Ob dieser Markt auch ein neues Arbeitsfeld für George Kochbeck und die Filmkomponisten, die durch Mike Beilfuß vertreten werden, sein könnte, blieb an diesem Abend noch offen.

Beim anschließende Get Together im Foyer ergab sich wieder einmal die Gelegenheit, die Diskussion fortzusetzen und sich über aktuelle Projekte, Entwicklungen und Neuigkeiten auszutauschen.

Fotos: Jörg Lorenz