Nonlineare Erzähltradition - nordmedia Talk in Bremen

Spannender Abend lockt zahlreiche Filminteressierte ins Weserhaus

Mehr als 90 Filminteressierte kamen ins Weserhaus
Mehr als 90 Filminteressierte kamen ins Weserhaus

In der Erzähltradition haben Spielfilme häufig eine chronologisch aufgebaute Geschichte. Allerdings gibt es Ausnahmen: In der Vergangenheit haben Filme wie „Lola rennt“ oder „Memento“ die Attraktivität einer nonlinearen Erzählweise bewiesen. Ab wann ein Film als nonlinear bezeichnet werden kann und wie es aktuell in der Film- und Fernsehlandschaft aussieht, darüber diskutierten die Talkgäste und über 90 interessierte BesucherInnen beim diesjährigen nordmedia-Talk Bremen am 27. November 2013 im Weserhaus. Passend zum Talk-Thema startete der Abend überraschend in einer anderen Abfolge als geplant: nordmedia-Bereichsleiter für Film- und Medienförderung und Moderator des Abends - Jochen Coldewey - sowie Talkgast Tobias Hülswitt konnten aufgrund einer unvorhersehbaren Totalsperrung auf der Autobahn leider nicht zum Talk erscheinen. Durch den Abend führte stattdessen Förderreferent Jan Oehlmann, der mit der verkleinerten Talkrunde einen nicht minder spannenden Einblick in die wissenschaftliche Arbeit von Julia Eckel und die analytische Untersuchungen von Prof. Egbert van Wyngaarden gab.

Julia Eckel und Jan Oehlmann
Julia Eckel und Jan Oehlmann

Geschäftsführer Thomas Schäffer begrüßte die Bremer BesucherInnen zunächst mit einleitenden Worten, anschließend ermöglichte Medienwissenschaftlerin und Autorin Julia Eckel Einblicke in ihre wissenschaftlichen Untersuchungen. Als Autorin von „Zeitenwende(n) des Films - Nonlineare Narrationen im zeitgenössischen Erzählkino“ und Mitautorin des Sammelbandes „(Dis)Orienting Media and Narrative Mazes“ lag ihr Augenmerk auf den verschiedenen Erzählebenen im Kino-Film, an Beispielen von Spielfilmen wie „Lola rennt“, „Babel“ und „Memento“. Anhand von Grafiken aus ihren Veröffentlichungen verdeutlichte sie, wie unterschiedliche Zeitkonzepte des nonlinearen Erzählens in Bezug auf bestimmte Filme illustriert werden können. Dabei hat Julia Eckel vor allem die revers-chronologische Zeit, wie sie beispielsweise bei dem Kino-Spielfilm „Memento“ angewendet wurde, herausgearbeitet: „Die Linearität in Filmen mit revers-chronologischer Zeit bleibt zwar bestehen, allerdings bewegt sie sich genau in die entgegengesetzte Richtung.“

Jan Oehlmann und Prof. Egbert van Wyngaarden
Jan Oehlmann und Prof. Egbert van Wyngaarden

Prof. Egbert van Wyngaarden, Transmedia-Experte, Dramaturg und Autor, fokussierte sich hingegen stärker auf nonlineares Erzählen in TV-Serien. Vor allem beleuchtete er zwei Arte-Produktionen, darunter die Web-Serie "Addicts" und den Dokumentarfilm "Prison Valley". Zusätzlich nahm er Bezug auf die trimediale Produktion des Bayerischen Rundfunks "Wie es euch gefällt". Insbesondere die interaktive Web-Serie "Addicts" wurde dabei hervorgehoben. Die Krimi-Serie lief im Dezember 2010 auf www.arte.tv und ermöglichte den Usern selbstbestimmt zwischen den Modulen zu surfen und so die gesamte Geschichte progressiv aus dem Blickwinkel eines der Protagonisten oder aus Sicht der Polizei zu entdecken. Durch die Einbindung von sozialen Netzwerken und eigenen Profilen der Serienprotagonisten konnten UserInnen aktiv an der Drehbuchgestaltung teilnehmen und so die Geschichte beeinflussen. Der vielfach ausgezeichnete Web-Dokumentarfilm "Prison Valley" folgte 2012 auf www.arte.tv und zeigte erneut, wie sehr crossmediale und nonlinear erzählte Formate heute vom Publikum nachgefragt werden.

Beim Get-together tauschen sich die BesucherInnen untereinander aus
Beim Get-together tauschen sich die BesucherInnen untereinander aus

Beide Talkgäste waren sich einig, dass ZuschauerInnen heute nicht mehr stumpf vor dem Fernseher sitzen möchten, sondern selber bestimmen wollen, wann man welche Sendung ansieht und dass man sich aktiv in die Erzählform einklinken kann. Mit dem Wandel der Möglichkeiten im digitalen Zeitalter verändert sich auch die Zeitlichkeit der Menschen - und so auch die Zeitlichkeit in der Erzählweise von Filmen und TV-Serien. Nach dem spannendem Input der ExpertInnen und einer anschließenden Diskussion, gab es nach dem Talk noch ein anregendes Get-together unter den BesucherInnen, die sich vernetzen und eigene Ideen, aktuelle Projekte und Neuigkeiten austauschen konnten.

Text: Julia Meinel, Fotos: Claudia Hoppens