Erfolgreich im 39. Jahr: das Europäische Filmfestival Göttingen

- Spielfilm ASTRID gewinnt "Göttinger Liesel"

Regisseur Cyril Leuthy (Mitte) und die Crew des Eröffnungsfilms BARBARA - CHANSONS POUR UNE ABSENTE im Lumiere
Regisseur Cyril Leuthy (Mitte) und die Crew des Eröffnungsfilms BARBARA - CHANSONS POUR UNE ABSENTE im Lumiere

Niedersachsens traditionsreichstes Festival zeigte sich vom 23. November bis 2. Dezember 2018 auch im 39. Jahr vielseitig und attraktiv. Wie gewohnt gab es drei Spielstätten: das Kino Lumiere, den zum Kino umgerüstete "Alfred-Hessel-Saal" im Gebäude der Alten Universitätsbibliothek im Zentrum der Stadt sowie das Clubkino des Studentenwerks. Bei den Publikumsabstimmungen, an denen sich die Zuschauer rege beteiligten, setzte sich der berührende schwedische Spielfilm ASTRID gegen starke Konkurrenz durch und gewann den Publikumspreis des Festivals, das "Göttinger Liesel".

Jedes Jahr steht im Mittelpunkt des Festivals das Filmschaffen eines ausgewählten europäischen Landes - 2018 war dies Frankreich. Die französische Filmszene ist nach wie vor die größte, wichtigste und innovativste in Europa, und das Europäische Filmfest bot mit fünfzehn neuen Produktionen einen breit gefächerten Einblick in das Filmschaffen unseres Nachbarlands, das mehr zu bieten hat als nur Komödien vom Fließband.

Den Auftakt machte ein Film mit direktem Göttingen-Bezug: Als deutsche Kinopremiere präsentierte das Festival den Porträtfilm BARBARA - CHANSONS POR UNE ABSENTE über das Leben der berühmten Sängerin, die 1964 im Garten des heutigen Lumiere (damals Junges Theater) ihr Chanson „Göttingen“ schrieb.  Zur Premiere war fast die gesamte Filmcrew angereist, nach großem Publikumsapplaus sprachen Regisseur Cyril Leuthy und Produzentin Anne Gènevaux über ihre persönliche Faszination für Barbara und die Entstehungsgeschichte des Films. In reizvollem Kontrast zu dieser Dokumentation stand der Spielfilm BARBARA von Mathieu Amalric, in dem Jeanne Balibar auf brillante Weise die Sängerin verkörpert. Beide Filme sind 2017 aus Anlass von Barbaras 20. Todestag entstanden.

TARANTA ON THE ROAD: Salvatore Allocca und Moderatorin Vera Vogel
TARANTA ON THE ROAD: Salvatore Allocca und Moderatorin Vera Vogel

Weitere Highlights aus Frankreich waren der außergewöhnliche Historienfilm DAS MÄDCHEN DAS LESEN KONNTE, den Regisseurin Marine Francen vor ausverkauftem Saal persönlich vorstellte, oder das berührende Familiendrama LA VILLA von Altmeister Robert Guédiguian aus Marseille. UNE SAISON EN FRANCE zeigte die Sitution einer von Abschiebung bedrohten Immigranten-Familie in Paris, in dem packenden Thriller L'APPARITION wurden die Hintergründe einer rätselhaften Marienvision aufgedeckt, und die faszinierende Kompilation LUMIÈRE - L'AVENTURE COMMENCE von Tierry Frémaux, dem Leiter der Filmfestspiele von Cannes, entführte in die Anfänge der Filmgeschichte zu den Brüdern Lumière.

Ein zweiter Schwerpunkt liegt traditionsgemäß auf dem italienischen Filmschaffen. Unter dem Motto "Cinema! Italia" standen sechs neue Filme auf dem Programm, darunter das  umwerfende Mafia-Musical AMMORE E MALAVITA oder die herausragende Tragikomödie TUTTO QUELLO CHE VUOI von Francesco Bruni.  Regisseur Salvatore Allocca kam zur Vorführung seines in Apulien gedrehten Roadmovies TARANTA ON THE ROAD als Gast nach Göttingen.

VON KOMISCHEN VÖGELN: Regisseur Eike Weinreich beim Publikumsgespräch
VON KOMISCHEN VÖGELN: Regisseur Eike Weinreich beim Publikumsgespräch

In der Reihe "Europäische Premieren" gab es hochkarätige Produktionen aus Skandinavien wie der auf der Berlinale gefeierte Film ASTRID über die Jugendjahre von Astrid Lindgren und die isländische Komödie GEGEN DEN STROM.  Aus Großbritannien kam MARY SHELLEY, aus Spanien die fesselnde Tänzerbiografie YULI, aus Russland eine neue ANNA KARENINA-Verfilmung.

Auch aus Deutschland hatte das Festivalteam fünf sehenswerte neue Produktionen von jungen Nachwuchstalenten zusammengestellt. Zwei FilmemacherInnen waren zu Gast beim Festival: Eike Weinreich stellte seine nordmedia-geförderte Inklusions-Komödie VON KOMISCHEN VÖGELN vor, und Sonja Maria Kröner erzählte von der Schwierigkeit, für ihren Film SOMMERHÄUSER ein großes Ensemble zu dirigieren und die 70er Jahre-Lebenswelt authentisch hinzubekommen.

Last not least zeigte das Festival zum 100. Geburtstag von Ingmar Bergman eine kleine Hommage mit dem Klassiker WILDE ERDBEEREN in restaurierter Fassung und dem neuen Film AUF DER SUCHE NACH INGMAR BERGMAN von Margarethe von Trotta. Die Bergman-Expertin Renate Bleibtreu gab eine Einführung in Leben und Werk des schwedischen Meisterregisseurs.

Fotos: Clara Dörholt

Das 40. Europäische Filmfestival Göttingen wird vom 22. November bis 1. Dezember 2019 stattfinden, Schwerpunkt: aktuelles britisches Kino.

Weitere Informationen: www.filmfest-goettingen.de