nordmedia-talk Hannover "Mozart, Mobile, Merchandising"

Die digitale Revolution fordert neue Verwertungsstrategien

Unter diesem Motto trafen sich am 05.06.2007 Filmschaffende und -interessierte aus der Region im enercity Expo Café, um die bemerkenswerten Projekte zweier niedersächsischer Produzenten kennen zu lernen, die sich gerade im Kontext neuer, vor allem durch Digitalisierung, Mobilität und Merchandising gekennzeichneter Verwertungsmärkte durch besonders erfolgreiches und innovatives Vorgehen hervorgetan haben.

Raimund Franken
Raimund Franken

Diesen radikalen Strukturwandel der Verwertungsmärkte skizzierte einleitend Raimund Franken (rmc Rinke Medien Consult) zunächst als eine Auf-lösung der traditionellen Verwertungskette vom Kino über die DVD zum Fernsehen hin zu einer möglicherweise zeitlich flexibleren oder gar gleichzeitigen Auswertung, die in den USA bereits gegen den - im Fall von Soderberghs Film BUBBLE (2005) besonders heftigen - Widerstand der Kinobetreiber erprobt wurde. Zugleich erschlössen sich neue Märkte nicht nur durch intensives Merchandising, sondern über neue digitale Vertriebswege wie etwa ?video-on-demand? oder IPTV und mobile Endgeräte - dem Handy-TV. Zuletzt prognostizierte Franken gar eine mögliche Priorisierung dessen, was einst die Verwertungskette abschloss: In Zukunft könnte es etwa für etablierte Spielfilm-Serienhelden wie Spiderman zur Regel werden, dass zuerst das Computer- bzw. Videospiel erscheint, bevor eine filmische Adaption - wenn überhaupt noch - erfolgt.

Arnd Aschentrup
Arnd Aschentrup

Von diesem Trend zeugen bereits die Produktionen von Arnd Aschentrup (Mobile Streams Europe), der u.a. Handy-Clips der Animations-Serie ?Suicidal Squirrels? vorstellte, in der niedliche Comic-Eichhörnchen immer wieder neue und gewitzte Wege in den Freitod ersinnen und sogleich beherzt in die Tat umsetzten. Ästhetik und Einstellungsgrößen wurden an die relativ kleinen Displays mobiler Endgeräte angepasst und die Spieldauer an der vermuteten Nutzung als Wartezeitüberbrückung unterwegs ausgerichtet. Ob man auch in Deutschland von einem derart großen Unterhaltungsbedürfnis wie in Japan ausgehen darf und zudem von der Bereitschaft Jugendlicher, pro Folge rund 50 Cent zu zahlen, werde - so Aschentrup - erst die Zukunft erweisen.

Winfried Debertin
Winfried Debertin

Handfeste Erfolge kann hierzulande die im Kinderkanal zur Prime-Time ausgestrahlte Zeichentrickserie LITTLE AMADEUS über die teils fiktionalen Kindheits-erlebnisse des jungen Wolfgang Amadeus Mozart aufweisen, deren in Hollenstedt bei Hamburg ansässige Produ-zenten Winfried Debertin (pentaTV) und Peter Will ebenfalls beim nordmedia-Talk zu Gast waren. Nicht nur erhielt die Serie von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden das Prädikat ?besonders wertvoll? sowie einen ECHO-Preis verliehen, auch die hohen Einschaltquoten im Kinderkanal sowie die Ausstrahlung in mittlerweile über zehn weiteren Ländern geben den Machern Recht und sind zugleich Bestandteil einer fortschrittlichen Verwertungsstrategie, die auch die Vermarktung über diverse Download- und Streaming-Portale (Alice, Arcor, iTunes Store, T-Vision) umfasst. Die ARD hat bereits zwei weitere Staffeln mit insgesamt 26 weiteren Folgen geordert.

Peter Will
Peter Will

Der kommerzielle Erfolg rund um „Little Amadeus", der zudem auch ein differenziertes Merchandising-Angebot durch Lizenzierungen umfasst, steht jedoch keineswegs im Widerspruch zur erzieherischen Mission der Produzenten, Kindern und durch die Hintertür auch den mitschauenden Erwachsenen Freude an klassischer Musik zu vermitteln und sogar mit Musikverbänden und Kirchenverbänden zu kooperieren.

Beim anschließenden Get Together hatten Talkgäste und Publikum die Gelegenheit, die Diskussion fortzusetzen und sich über aktuelle Projekte, Entwicklungen und Neuigkeiten auszutauschen.