Das Kino der Zukunft hat viele Facetten

- angeregte Diskussion beim nordmedia-Talk Hannnover

Sigurd Hermes, Volker Kufahl, Karl-Heinz Brinkmann, Karl-Heinz Meier, Torben Scheller, Dr. Detlef Roßmann, Carsten Schuffert und Jochen Coldewey (v.l.)
Sigurd Hermes, Volker Kufahl, Karl-Heinz Brinkmann, Karl-Heinz Meier, Torben Scheller, Dr. Detlef Roßmann, Carsten Schuffert und Jochen Coldewey (v.l.)

"Popcorn mit Brille - die Zukunft des Kinos?" war der Titel des nordmedia-Talks Hannover am 28. April 2010 im Kino im Künstlerhaus, bei dem zentrale Fragen zur Gegenwart und Zukunft des Kinos vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Kinobranche erörtert wurden. Wichtige Aspekte der angeregten Podiumsdiskussion waren die heutige und zukünftige Rolle des Kinos, die neuen Technologien im Zuge der Kino-Digitalisierung, die Chancen und Risiken der 3D-Technik, regionale und lokale Entwicklungen sowie die Kinoförderung.

Moderator Jochen Coldewey, Geschäftsbereichsleiter Förderung und Standort bei der nordmedia, diskutierte darüber mit den Podiumsgästen Sigurd Hermes (Kommunales Kino Hannover), Volker Kufahl (Int. Filmfest Braunschweig, Universum Filmtheater, Braunschweig), Karl-Heinz Brinkmann (Thega-Filmpalast, Hildesheim), Karl-Heinz Meier (Lichtburg Filmtheater GmbH, Quernheim), Torben Scheller (Filmkunstkinos Hannover), Dr. Detlef Roßmann (Casablanca Kino, Oldenburg) und Carsten Schuffert (Bewegte Bilder, Tübingen).

Carsten Schuffert und Jochen Coldewey (v.l.)
Carsten Schuffert und Jochen Coldewey (v.l.)

Casten Schuffert, dessen Firma "Bewegte Bilder" sich seit Jahren mit der digitalen (Kino-)projektion beschäftigt, startete den Abend mit technischen Fakten rund um die Digitalisierung. "Technologien, die man nicht aufhalten kann, sollte man sich zu Nutzen machen“, so Schuffert. Neben dem globalen digitalen Standard-Projektionsformat gemäß DCI als Nachfolger der 35 mm-Projektion coexistieren parallel weitere digitale Formate. Daher würden u.a. auch die Unsicherheiten der Branche rühren, in welche digitalen Projektionssysteme investiert werden solle.

Torben Scheller und Dr. Detlef Roßmann (v.l.)
Torben Scheller und Dr. Detlef Roßmann (v.l.)

Torben Scheller, der sowohl in den Universitätsstädten Hannover und Göttingen als auch in den Kleinstädten Northeim und Bad Pyrmont Programmkinos betreibt, betonte, dass auf die Kinos bei der Umstellung auf Digitalisierung erhebliche Investitionen zukämen. Die Filmverleiher hingegen würden durch den Verzicht auf Filmkopien enorme Kosten sparen, die bisher bei der Herstellung und dem Transport von Filmkopien anfallen. Deshalb sei es dringend erforderlich, dass sich die Verleiher an der digitalen Umrüstung der Kinos finanziell beteiligen.

Dr. Detlef Roßmann, Vorstandsmitglied der AG KINO und Inhaber des Casablanca-Programmkinos Oldenburg, ist der Ansicht, dass die Digitalisierung der Kinos nicht nur technische und finanzielle Aspekte, sondern auch politische Facetten hat. Die Digital Cinema Initiative (DCI) der Major Hollywood-Studios sei weltweit dabei, ihren Digitalisierungsstandard durchzusetzen. Langfristig könnte das u.a. dazu führen, dass nur noch "Mainstream"-Produktionen mit DCI-Spezifikation auf den Kinoleinwänden zu sehen wären. Um diesem Trend entgegenzusteuern, sei es wichtig, dass in Deutschland Förderprogramme von Bund und Länderseite zur Unterstützung der Kino-Digitalisierung in der Fläche aufgelegt würden.

Karl-Heinz Brinkmann und Karl-Heinz Meier (v.l.)
Karl-Heinz Brinkmann und Karl-Heinz Meier (v.l.)

Karl-Heinz Brinkmann merkte an, dass die Digitaltechnologie auch neue Möglichkeiten biete. Zum Beispiel könne man durch die Übertragung von Pop-Konzerten oder Vorstellungen z.B. aus der Metropolitan Opera neue Zuschauer gewinnen. Brinkmann hat in seinem Thega-Filmpalast in Hildesheim bereits gute Erfahrungen mit Konzertübertragungen im Kino gemacht. Das Thega zählte zu den ersten Kinos in Niedersachsen, die im vergangenen Jahr einen Saal in 3D-Technik umgerüstet hatten. Diese Investition hat sich laut Brinkmann dank des 3D-Booms gelohnt. Er geht davon aus, dass die Nachfrage des Publikums weiterhin groß sein wird und plant bereits einen zweiten Saal auf 3D-Kino umzustellen.

Karl Heinz Meier, Vorstandsmitglied des Kinobüros Niedersachsen, betreibt sein Lichtburg Kino in Quernheim am kleinsten Kinostandort Deutschlands. Sein Kino hat Kultcharakter, was vor allem dem leidenschaftlichen Engagement Meiers zu verdanken ist. Er machte beim nordmedia-Talk besonders auf die Sorgen der kleinen Landkinobetreiber aufmerksam, die sich hoch verschulden müssten, wenn sie in die digitale 2D- oder 3D-Technik investieren wollen. 60.000 bis 80.000 Euro koste die Umrüstung eines Kinosaals. "Dafür fehlt mir einfach das Geld", so Meier.

Sigurd Hermes und Volker Kufahl (v.l.)
Sigurd Hermes und Volker Kufahl (v.l.)

Volker Kufahl, Leiter des Internationalen Filmfest Braunschweig und Geschäftsführer des Universum Filmtheaters in Braunschweig, stattete bei der Neueröffnung des Universums im Herbst 2009 einen Saal mit einer kostengünstigen digitalen Projektion aus. Dies eröffne ihm die Möglichkeit, flexibler in der Programmauswahl zu sein und auch Filme von kleineren Independent- und Filmkunst-Verleihern zu zeigen, die ihre Filme zum Teil mittlerweile auch digital auswerten. „Inhalt und Stoff müssen stimmen, dann ist digital oder 35 mm egal“, so Kufahl. „Ich sehe das mehr als gegenseitige Befruchtung, nicht als Konkurrenz.“

Sigurd Hermes, seit über 35 Jahren Leiter des Kinos im Künstlerhaus, erinnerte daran, dass es in der Filmgeschichte schon früher 3 D-Wellen gegeben habe, die aber nach einem kurzen Boorm wieder abgeebbt sind. Gute 3D-Effekte allein wären kein Markenzeichen für gute Filme. Hermes glaubt nicht an den langanhaltenden Erfolg der 3D-Technik und setzt im Kino im Künstlerhaus auf das bewährte Motto: „Alles zeigen wir Ihnen nicht, aber vieles was Sie sonst nicht sehen könnten.“

Die Diskussion beim nordmedia-Talk war komplex, facettenreich und zum Teil kontrovers. Doch auch wenn die Statements und Prognosen im Bezug auf neue Kino-Technologien unterschiedlich ausfielen, so waren sich alle Podiumsgäste letztlich doch einig, dass die Institution "Kino" eine Zukunft haben wird.

Im Anschluss an den Talk wurden die Gespräche im Foyer des Künstlerhauses bei Büffet und Getränken fortgeführt. Hier gab es wieder die Gelegenheit, sich über aktuelle Projekte, Entwicklungen und Neuigkeiten auszutauschen.

Fotos: Jörg Lorenz