Starke Frauen und ein Hauch von Hollywood beim 31. Filmfest Braunschweig

Michael P. Aust, Don Davis, Dagmar Schlingmann, Edgar Merkel,  Angela Kleinhans, Thomas Schäffer, Anke Kaphammel und Martin Weller (v.l.) bei der Eröffnung
Michael P. Aust, Don Davis, Dagmar Schlingmann, Edgar Merkel, Angela Kleinhans, Thomas Schäffer, Anke Kaphammel und Martin Weller (v.l.) bei der Eröffnung

Den Anfang machten die großen Filmkomponisten: Das 31. Internationale Filmfestival Braunschweig eröffnete mit dem Filmkonzert MATRIX LIVE. FILM IN CONCERT und der Komponist der Filmmusik, der Amerikaner Don Davis, dirigierte selbst das Staatsorchester Braunschweig vor über 1.000 Zuschauern.

Gleich am folgenden Abend lud Oscar-Preisträger Jan A.P. Kaczmarek zu einem „Gesprächskonzert“ in die Braunschweiger Schloss Arkaden. Moderator Matthias Hornschuh sprach mit dem polnischen Filmkomponisten über ausgewählte Beispiele seines umfangreichen Schaffens und den Unterschied zwischen Hollywood und Europa.

Don Davis beim Eröffnungskonzert MATRIX LIVE. FILM IN CONCERT
Don Davis beim Eröffnungskonzert MATRIX LIVE. FILM IN CONCERT

Zwei Berliner vervollständigten das Filmkonzert-Programm. Bassistin Inma Galoit spiegelte die düstere Atmosphäre der Graphic Novel EVELYN mit ihrem Ensemble „La Rosa Negra“ mit präpariertem Klavier und Effekten. Als Beitrag zum Reformationsjahr zeigte das Festival in Kooperation mit der Evangelischen Landeskirche Stephan Graf von Bothmer mit dem Filmkonzert LUTHER aus dem Jahr 1928.

Musik stand auch im Mittelpunkt der „Sound on Screen“-Reihe mit sechs aktuellen Musik-Dokumentationen, darunter die Deutschland-Premiere des Tour-Films „Placebo: Alt.Russia“, für die Regisseur Charlie Targett-Adams nach Braunschweig kam.

Filmkonzert EVELYN
Filmkonzert EVELYN

Die Ausstellung „Never Ending Stories“ im Kunstmuseum Wolfsburg begleitete das BIFF mit einer filmischen Reflektion zum Thema Loop, der heute fester Bestandteil der Popkultur, u.a. in Musik, Tanz, Musikvideo, Computerspiel ist. Noch bis Februar werden die sechs Filme im Kunstmuseum wiederholt.

Dass die Konventionen eines Genres von jeder jungen Filmemachergeneration wieder neu und anders belebt werden können, zeigte die Reihe Neo-Western. Ob Pußta statt Prärie wie in der deutschen Premiere der ungarischen Produktion COYOTE oder eisige Kälte statt sengender Sonne wie in LAW OF THE LAND aus Finnland, es gab reichlich Entdeckungen jenseits der Genre-Grenzen.

360°-Workshop des APITs Lab der nordmedia
360°-Workshop des APITs Lab der nordmedia

Zum ersten Mal widmete sich das Festival mit der Reihe „Que*rschnitt - neue LGBTQI*-Filme“ der Vielfalt abseits des heteronormativen Kinos. Star der Reihe war eindeutig Juwelia, die Protagonistin aus Rosa von Praunheims ÜBERLEBEN IN NEUKÖLLN mit einem umjubelten Auftritt im „Onkel Emma“. Die am schnellsten ausverkaufte Vorstellung fand sich - wie schon im Vorjahr - im „Heimspiel“. Der so genannte Braunschweig Tatort, der Sanddorn-Krimi KONTROLLVERLUST von Jonas Jarecki, lockte alle Mitwirkenden samt Anhang in den Saal.

Gut besucht waren auch die beiden Workshops. Tim Mittelstaedt und Anna Weisenberger vom APITs Lab der nordmedia informierten über 360°- und VR-Technik. Sebastian Droschinski und Nich Buckenauer vom Hamburger Wendie Webfest stellten die „Webserie, das unbekannte Wesen“ vor.

Regisseurin Barbara Alpert
Regisseurin Barbara Alpert

Einmal mehr war das „Neue Internationale Kino“ die publikumsstärkste Reihe. Der als deutsche Premiere laufende, amerikanisch-französische KATIE SAYS GOODBYE von Wayne Roberts, der Debütfilm von Kirsten Tan POP EYE aus Thailand, sowie der Cannes-Gewinner THE SQUARE von Ruben Östlund waren die Publikumsrenner.

In der Reihe „Neue Deutsche Filme“ waren die Vorstellungen von Jan Henrik Stahlbergs FIKKEFUCHS und Markus Gollers nordmedia-geförderter Spielfilm SIMPEL schnell ausverkauft. Regisseurin Barbara Albert präsentierte LICHT, Oliver Kienle und Markus Reinecke stellten ihren Thriller DIE VIERHÄNDIGE vor, Mascha Schilinski ihr Kammerspiel DIE TOCHTER, Tom Lass seine Komödie BLIND & HÄSSLICH, Felix Randau den Ötzi-Thriller DER MANN AUS DEM EIS und Martin Guggisberg die Politkomödie USGRÄCHNET GÄHWILERS.

Filmkonzert LUTHER
Filmkonzert LUTHER

Die Reihe „Beyond“ zeigt Filme, die Neues wagen, die Risiken nicht scheuen. Der beste Film der Reihe wurde mit dem mit 2.500 Euro dotierten „Schwarzen Löwen“ ausgezeichnet, den von Volkswagen Financial Services unterstützt. Mit „Beyond: Faith“ kreisten die sechs Filme, darunter zwei Deutschland-Premieren um die Frage, wie sich der Weg im Glauben finden lässt, wenn der Kern des Glaubens verstellt wird.

Premieren und Gäste sind traditionell das Markenzeichen des „Heinrichs“, dem Publikumswettbewerb für europäische Debüt- und Zweitfilme. Die Produzenten Conrad Alebas und Jamillah van der Hulst begleiteten den im verschneiten Georgien spielenden DEDE von Mariam Khatchvani. Regisseur Olof Spaak und Produzentin Sofie Palage zeigten das Familiendrama GARDEN LANE aus Schweden. Regisseurin Ties Schenk präsentierte die Tragikomödie MONK aus den Niederlanden. Regisseurin Sonja Krömer brachte ihr Familienporträt SOMMERHÄUSER mit nach Braunschweig. Katarina Zrinka Matijevic aus Kroatien zeigte ihr Mutter-Tochter-Drama THE TRAMPOLINE.

"Europa"-Preisträgerin Nina Hoss
"Europa"-Preisträgerin Nina Hoss

Regisseurin Nathalie Tierlinck aus Belgien war mit PAST IMPERFECT zu Gast. Aus Irland kam Game of Thrones-Schauspieler und Hauptdarsteller im britischen Thriller BAD DAY FOR A CUT. Außerdem liefen die rumänisch-französische, schwarze Komödie CHARLESTON von Andrei Cretescu, A DATE FOR MAD MARY aus Irland von Darren Thornton und der französisch-belgische Abenteuerfilm LES COWBOYS von Thomas Bidegain.


Der Abschluss des Festivals stand dann ganz im Zeichen starker Frauen: Stargast Nina Hoss nahm die mit 15.000 Euro dotierte „Europa“ entgegen. Zuvor hatte sie bereits im Filmgespräch mit Filmpublizist Daniel Kothenschulte das Braunschweiger Publikum in ihren Bann geschlagen.

die Preisträgerinnen (v.l.): Nora Fingscheidt, Stefania Villa, Charleigh Bailey, Nathalie Teirlinck und Nina Hoss
die Preisträgerinnen (v.l.): Nora Fingscheidt, Stefania Villa, Charleigh Bailey, Nathalie Teirlinck und Nina Hoss

A DATE FOR MARY begeisterte das Publikum und erhielt den „Heinrich“, den Publikumspreis für den besten europäischen Debüt- oder Zweitfilm mit 10.000 Euro Preisgeld. Darstellerin Charleigh Bailey nahm den Preis für den irischen Regisseur Darren Thornton entgegen.

Den „Schwarzen Löwe“ für den besten Film der Beyond-Reihe vergab die Jury mit Produzentin Dagmar Niehage, Filmemacherin Nicole Wegner und Filmkomponist Gregor Schwellenbach an Federica Di Giacomo für LIBERA NOS. Regisseurin Nathalie Teirlinck hatte ebenso Grund zum Jubeln, sie freute sich für ihr berührendes Werk PAST IMPERFECT über den Deutsch-Französischen Jugendpreis KINEMA. Die Braunschweigerin Nora Fingscheidt überzeugte die Heimspiel-Jury mit Schauspieler Detlef Bothe, Regisseurin Anna Linke und Vorjahresgewinner Lars Jordan mit ihrer Dokumentation OHNE DIESE WELT über eine Mennoniten-Gemeinde in Argentinien:

die KINEMA-Jury
die KINEMA-Jury

Nach der doch sehr umfänglichen Jubiläumsausgabe vom letzten Jahr hatte Festivaldirektor Michael P. Aust das diesjährige Programm deutlich gestrafft, was für mehr ausverkaufte Veranstaltungen sorgte.

Aust zeigte sich angesichts der erneut rund 25.000 Besucher sehr zufrieden: „Das Festival war ein Triumph des europäischen Arthouse-Films - ich freue mich, dass wir so viele spannende Filmemacher, Schauspieler und Filmkomponisten zu Gast hatten.

Vier der fünf Preise des BIFF gingen in diesem Jahr hochverdient an Frauen, sie alle haben eine ganz eigene filmische Sprache gefunden. Diese Konstellation ist auch ein Hinweis darauf, dass das europäische Kino in dieser Frage schon ein bedeutendes Stück weiter ist als das deutsche.“

Gregor Schwellenbach und Tanja Godlewsky
Gregor Schwellenbach und Tanja Godlewsky

Insgesamt zeigte das Festival an sechs Tagen 264 Filme aus 42 Ländern. Davon waren 100 Langfilme, von denen 21 ihre Deutschland-Premiere und eine Produktion ihre Weltpremiere in Braunschweig feierten. Außerdem laufen 164 Kurzfilme, davon 30 als deutsche und fünf als Weltpremiere, 32 Musikvideos außerdem ca. 30 Filme, die von Kindern und Jugendlichen gedreht wurden.

Das 32. Internationale Filmfest Braunschweig findet vom 5. bis 11. November 2018 statt.

Weitere Informationen: www.filmfest-braunschweig.de

Fotos: Marek Kruszweski, Patrick Slesonia, Frank Terhorst