Braunschweig krönt "4 Könige"

- nordmedia-geförderter Film gewinnt Hauptpreis des Festivals

"Das war eine harte Konkurrenz", betonte Theresa von Eltz, die mit 4 KÖNIGE den Publikumspreis „Der Heinrich“ des 29. Braunschweiger Filmfestivals gewann. Gemeinsam mit Hauptdarsteller Clemens Schick freute sie sich über die 10.000 Euro Preisgeld, die der Hauptsponsor des Festivals Volkswagen Financial Services stiftet. Die frisch gekürte Gewinnerin bedankte sich ausdrücklich beim Festival-Hauptsponsor und unterstrich, wie wichtig und hilfreich solche Auszeichnungen gerade für junge Filmemacher sind.

Der französische Regisseur Fred Nicolas erhielt den deutsch-französischen Jugendpreis KINEMA für MAX & LENNY. Sein Film über die Freundschaft zweier junger Frauen aus den heruntergekommenen Vorstädten Marseilles feierte in Braunschweig seine Deutschland-Premiere. Die junge Jury aus drei Deutschen und drei Franzosen im Alter von 17 bis 21 Jahren zeigte sich vor allem von der Realitätsnähe des Films beeindruckt: „Fred Nicolas hat einen wirklichkeitsnahen Film geschaffen, dessen Ende Raum für Hoffnung lässt.“ Filmkomponist Marcel Barsotti, dem die Reihe „Musik & Film“ gewidmet war, bedankte sich live am Flügel mit einem filmmusikalischen Potpourri.

Mit der Filmkonzert-Weltpremiere von Sönke Wortmanns Historiendrama DIE PÄPSTIN hatte er das Festival mit dem Staatsorchester Braunschweig unter der Leitung von Helmut Imig eröffnet. In einer zweiten Filmkonzert-Weltpremiere hatte der Schweizer den Stummfilm DOLPHINS von Farhad Yawari aus dem Jahr 2000 aufgeführt. Für den Soundtrack des Abends sorgten die „Akademix“, die Band der Deutsche Filmakademie in der Besetzung Helmut Zerlett, Ali Askin, Michael Beckmann, Jochen Schmidt-Hambrock und Christoph Zirngibl. Durch den Abend führte Moderator Ill-Young Kim. Vorausgegangen waren sechs Tage mit 110 Lang- und 160 Kurzfilmen aus 50 Ländern. Allein von den Langfilmen waren 30 Produktionen deutsche bzw. internationale Premieren. 40 Regisseure stellten ihre Produktionen in Braunschweig persönlich vor.

Die Ausgabe 2015 wartete mit mehreren neuen Formaten auf. Mit „Beyond:…“ startete das Filmfestival eine Reihe, die einem jährlich wechselnden Schwerpunkt gewidmet ist. „Wir wollen neue filmsprachliche Tendenzen präsentieren und Filme zeigen, die visuell oder thematisch Risiken eingehen und sich von cineastischen oder moralischen Konventionen lösen“, hatte Festivaldirektor Michael P. Aust angekündigt. Den Anfang machte „Beyond: Love“ zum Bruch klassischer Liebes- und Beziehungs-Konventionen, u.a. mit den deutschen Erstaufführungen von HIDE AND SEEK, den Regisseurin Joanna Coates aus Großbritannien vorstellte und der litauisch-französisch-niederländischen Koproduktion DER SOMMER VON SANGAILÉ, die Schauspielerin Julija Steponaityte begleitete. Außerdem feierte das schwedische Liebesdrama GUERRILLA von Anders Hazelius' seine Deutschlandpremiere.

Ebenfalls neu im Programm war die Reihe „Green Horizons“ mit fünf Filmen zum Thema Nachhaltigkeit, darunter die Deutschlandpremiere von Andrew Morgans Dokumentation THE TRUE COST (2015). Auf der begleitenden Paneldiskussion diskutierten Stadtplaner, Unternehmer, Filmemacher und -vermittler mit dem Publikum zur Frage „Welchen Beitrag kann der Film als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten?“ In Kooperation mit dem internationalen Kritikerverband FIPRESCI veranstaltete das Festival das „BIFF Filmkritik Lab“ über die Zukunft der Filmkritik und ihre bislang ungenutzten Chancen im Internet.

Alin Tasciyan, Präsidentin der FIPRESCI, begrüßte die Teilnehmer gemeinsam mit Horst-Peter Koll, Chefredakteur des FILMDIENST, der Medienpartner der Veranstaltung war. „What's wrong?“ lautete die Leitfrage des ersten Talks, den Filmemacher und -journalist Andrew Horn moderierte und Alin Tasciyan, Daniel Kothenschulte, György Kárpáti (Vizepräsident FIPRESCI) und Katharina Dockhorn (Bundesverband deutscher Medienjournalisten) um Stellungnahme bat. Der zweite Teil des Tages war ausgewählten Praxis-Beispielen vorbehalten. Kaja Klimek vom Warschauer Weekendowy Magazyn Filmowy/Hashtag Warsztat stellte in ihrer Lecture „It's better to be online“ heraus, wie Video Blogging herkömmliche Filmkritik erweitern kann. Florian Krautkrämer von der HBK Braunschweig erörterte am Beispiel des „Daumenkinos“, ob studentische Film Blogs nicht die neue öffentlich-rechtliche Filmkritik sind.

Die Panel-Diskussion „Future Reloaded - Game Change beim deutschen Film“ beleuchtete das Geflecht von Förderungen, Sendern und Hochschulen und lotet Veränderungsoptionen aus. Huan Vu, Regisseur und Produzent von DIE FARBE forderte neue Kriterien der Filmförderung, insbesondere für Genrefilme. Angesichts des zunehmenden Verlusts der jungen Zuschauer an VOD-Kanäle mahnte er, schneller auf diese Veränderungen der Branche zu reagieren. Vu befürchte allerdings, dass das jüngere Publikum bereits verloren sei. Arno Ortmair, Vorstandsvorsitzender des Verbands Deutscher Filmproduzenten, stimmte zu: Der deutsche Film und die deutsche Filmförderung denke zu stark in nationalen Grenzen. das augenblickliche Systeme keine Veränderungen zu. Es fehle an Spielraum für Experimente, an mehr Raum für kreative Anarchie. Dem stimmte auch Thomas Schäffer, Geschäftsführer nordmedia, zu, der zugestand, dass manche Veränderungen schneller passieren, als es Gremien organisiert sind.

Festivaldirektor Michael P. Aust sah einen starken Festivaljahrgang: „Die Gesellschaft steht unter großer Spannung. Nichts, was wir bisher als normal oder stabil betrachtet haben, ist mehr sicher, die gewaltsamen Brüche häufen sich: Das Internationale Filmfestival Braunschweig war in diesem Jahr geprägt von Filmen, die sich mit diesem Eindringen der Störungen in die heile bürgerliche Welt auseinandersetzen - ein extrem starker Jahrgang mit 110 Langfilmen, darunter 30 deutsche und internationale Premieren, mit 160 Kurzfilmen und mit gestiegenen Besucher- und Umsatzzahlen.

Höhepunkte waren etwa die Weltpremiere von Paul Hills THE POWER, die Internationale Premiere von Lika Alekseevas PARALLEL LINES MEET AT INFINITY, die deutschen Festivalpremieren von Charlie Kaufmans ANOMALISA und Florian Gallenbergers COLONIA DIGNIDAD sowie der israelischen TV-Serie FAUDA. Stolz bin ich insbesondere auf die Werkschau zum Filmkomponisten Marcel Barsotti mit ihren zehn Filmen und zwei Filmkonzerten, die dem Staatsorchester Braunschweig und seinem Chor die Möglichkeit boten, einmal mehr mit den Facetten seiner filmmusikalischen Expertise das Publikum total zu begeistern“.

Das Festival verzeichnete erneut rund 25.000 Zuschauer. Im nächsten Jahr findet die Jubiläumsausgabe, das 30. Internationale Filmfestival Braunschweig, vom 7. bis 13. November statt.

Weitere Informationen: www.filmfest-braunschweig.de
 

Fotos: Moritz Küstner, Frank Sperling, Michael Werner